Pädagogisches Leitbild der Mungga-Höhli
«Das selbstbestimmte Spiel fördert, indem es fordert»
Die pädagogische Grundlage bildet die Spielgruppen-Pädagogik mit ihren praxiserprobten Leitsätzen (IG Spielgruppe), der Orientierungsrahmen für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in der Schweiz (Nationales wissenschaftlich fundiertes Referenzdokument für Qualität in der frühen Kindheit) sowie die UN Kinderrechte.
Abgrenzung der Begriffe «Frühkindliche Bildung» von «Früher Förderung» und «Frühförderung»
Die Frühkindliche Bildung unterscheidet sich von Früher Förderung oder Frühförderung. Die im Auftrag der UNESCOKommission beauftragte Grundlagenstudie «Frühkindliche Bildung in der Schweiz» zeigt die wesentlichen Unterschiede auf: Bei der Frühkindlichen Bildung geht es um die «ganzheitliche und umfassende Anregung aller Sinne innerhalb und ausserhalb der Familie.»
Unter Frühförderung versteht man die gezielte Förderung durch z.B. Sprachförderkurse, Babyschwimmen, Frühförderungsvideotheken und andere Programme, die als Lektionen gestaltet sind. Die drei Begriffe haben jedoch gemeinsam, dass es nicht um die Vorverlagerung von schulischen Bildungsangeboten in die frühe Kindheit geht (aus «Freies Spiel und Bindung an Bezugspersonen» von Prof. Dr. Margrit Stamm).
Selbstbestimmtes Spiel vs. Frühförderungsprogramme
«Spielen muss gelernt werden, und dafür brauchen Kinder genug Zeit. Nur so kann das Spiel zum Entwicklungsmotor für das Lernen werden und damit einen Bildungswert jenseits früher institutionalisierter Förderprogramme bekommen.»
«Alles, was wir den Kindern lehren, können sie nicht mehr selbst entdecken und damit wirklich lernen.» Jean Piaget, Entwicklungspsychologe
«Kinder haben eine angeborene Entdeckerfreude - bis irgendwann jemand kommt und ihnen sagt, was sie jetzt machen sollen.» Dr. Gerald Hüther, Hirnforscher
Das sagt der Hirnforscher Dr. Gerald Hüther zum selbstbestimmten Spiel
«Aus der Gehirnforschung weiss man, dass völlig absichtsloses Spielen für die besten Vernetzungen im Gehirn sorgt.»
«Überall dort, wo sich Menschen ohne Angst, ohne Druck, selbstvergessen und spielerisch auf den Weg machen, spüren sie, wie etwas in ihnen zu wachsen beginnt. Sobald weder Angst noch Druck im Spiel sind, erwacht die Lust zu entdecken und zu gestalten. So funktioniert das Hirn.»
«Aus der Tierforschung weiss man: Je intelligenter ein Tier ist, desto mehr spielt es. Lernpsychologen nennen es selbst organisiertes, intrinsisch gesteuertes Lernen. Diese Art des Lernens ist entscheidend dafür, wie gut sich ein Tier oder Menschenkind später in der Welt zurechtfindet.»
Bindung an Bezugspersonen
«Geborgenheit und verlässliche Beziehungen sind eine Voraussetzung dafür, dass sich das kindliche Spiel entwickeln kann.» Dörte Weltzien, Erziehungswissenschaftlerin
Bindung stellt eine wichtige Grundlage für die frühkindliche Entwicklung dar. Damit ein Kind sein Selbstbildungspotenzial in der Spielgruppe entfalten kann, braucht es eine gute Beziehung zur Spielgruppenleiterin, geprägt von Vertrauen und Sicherheit. In der Mungga-Höhli berücksichtigen wir den individuellen Zeitbedarf, den Ihr Kind für den Aufbau dieser Beziehung benötigt. Besonders achtsam gehen wir dabei mit unter-3-jährigen Kindern vor. Manche Kinder verabschieden ihre Eltern direkt beim ersten Spielgruppenbesuch, bei anderen ist die Eingewöhnung nach wenigen Wochen abgeschlossen. Dieser Prozess ist so individuell wie jedes einzelne Kind es ist.
Wir begleiten Ihr Kind kompetent und liebevoll bei seinem selbstbestimmten Spiel in vorbereiteter Umgebung, schenken ihm Anteilnahme und Beteiligung, Halt und Freiraum, Nähe und Gemeinsamkeiten.
Die vorbereitete Umgebung
«Nicht das Kind soll sich der Umgebung anpassen, sondern wir sollten die Umgebung dem Kind anpassen.» Maria Montessori
«Die Aufgabe der Umgebung ist es nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich frei zu entfalten.» Maria Montessori
Die Mungga-Höhli hält ein altersgerechtes und anregendes Umfeld für alle Sinne bereit, um die individuelle Entwicklung und Selbstbildung Ihres Kindes zu unterstützen.
Freies Spiel
«Das freie Spiel ist keine nette Beilage der Kindheit, sondern die elementare Grundlage für die gesamte Entwicklung.»
Dafür braucht es Ungestörtheit, Raum und Zeit. Und genau diese Rahmenbedingungen dürfen die Kinder in der Spielgruppe erleben. Sie dürfen ihre ureigenen Rituale beim Ankommen und Gehen ausführen - das gibt ihnen Sicherheit und führt dazu, dass sie sich wohlfühlen. Die vorbereitete Umgebung hilft dem Kind ins freie Spiel oder Experimentieren zu kommen.
«Toben macht schlau.» Renate Zimmer (Erziehungswissenschaftlerin)
Ja, auch das dürfen die Kinder und wenn sie manchmal das Bedürfnis haben laut zu schreien, finden wir einen passenden Raum dafür und wenn gerade ein Schimpfwort wie «Scheisse» hoch im Kurs steht - gerne doch: «Schreie es in die WC-Schüssel, da wo es hingehört.» Und die Kinder haben einen riesen Spass dabei und das bei Erwachsenen verpönte Wort ist schneller Geschichte als gedacht.
Angebote, aber kein Programm
«Es gibt keinen Grund ein Kind aus seinem Spiel zu holen - es sei denn die Spielgruppe ist zu Ende und es muss nach Hause gehen.» Marion Sontheim (IG Spielgruppe)
Die Kinder dürfen von Anfang bis Ende der Spielgruppe IHREN Tag in der Mungga-Höhli selbstwirksam gestalten. Es gibt keine festen Programmpunkte, an denen Kinder teilnehmen müssen, wie Morgenkreis, Abschlussritual oder Znüni - aber individuelle und situative Angebote und Rituale. Sozial wie Kinder sind: sie merken es, wenn sich eine Gruppe zum Malen, Essen oder Lesen bildet und kommen oft freiwillig dazu. Alle Aktivitäten dürfen die Kinder selbstbestimmt wählen.
Kinder unter drei stehen – zumindest anfangs - häufig mitten im Raum und beobachten intensiv das Geschehen rings um sie herum. Wir begleiten Ihr Kind dabei und vermeiden die Animation. Ihr Kind nimmt vielfältige Sinneseindrücke auf, die es verarbeiten muss. Sobald es bereit ist, wird es von selbst die Initiative ergreifen.
Langeweile gehört zum selbstbestimmten Spiel
«…und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen.» Astrid Lindgren
«Zuschauen, trödeln, beobachten und ausruhen sind dem aktiven Spiel ebenbürtig und genauso wichtig.»
Beobachten und Langeweile sind wichtige Elemente des freien Tätigsein. Zum einen ermöglichen sie Sinneserfahrungen, wie aktiv zuzuschauen und die Umgebung wahrzunehmen, zum anderen kommt es früher oder später meistens zu kreativen Geistesblitzen, die das Kind während permanenter Ablenkung eher nicht bekommen hätte.
Kreativität und Gestalten
Wie auch beim Spielen, gilt beim Malen, Werken und Gestalten der Prozess und nicht das Produkt. Kleinkinder zeichnen nicht, um etwas vorzuführen oder etwas «Schönes» zu machen. Für sie ist es eine Art Malspiel, ein sinnvolles Spiel, das sie lustvoll und aus einem inneren Bedürfnis heraus ausüben. Es ist auch ein spielerisches Ausprobieren von Farben, Materialien, Hilfsmitteln und Werkzeugen.
In der Mungga-Höhli fragen wir nach, ob uns Ihr Kind etwas zu seinem Bild erzählen möchte und zeigen so Interesse an seinen Werken. Loben wir das Kind für das fertige Produkt, «denkt das Kind beim nächsten Mal immer schon an das Resultat und verliert seine eigene Spur, anstatt sich seine eigene Welt zu erschaffen. Es geht gerade nicht um ein vorzeigbares Resultat, sondern einzig um das lustvolle Geschehen im Moment, ohne ein Nachher» (aus einem Interview mit Arno Stern, Pädagoge, Forscher und Kunsterzieher).
Rolle der Spielgruppenleiterin
Als Spielgruppenleiterin sehe ich meine Hauptaufgaben darin, jedes einzelne Kind beobachtend wahrzunehmen, individuelle Selbstbildungsprozesse situativ zu begleiten und für die allgemeine Sicherheit sowie das Wohl aller zu sorgen.
Ich reflektiere meine persönlichen Grenzen und zeige sie nicht in Form von Verboten, sondern in Ich-Botschaften auf. Dabei sage ich den Kindern, was ich mir von ihnen wünsche und vermeide Nicht-Formulierungen oder Verbote.
Ich richte meinen Fokus auf das Kind und seinen individuellen Selbstbildungsprozess und nicht auf sein Aussehen oder seine Leistung.
Ich schaffe freie Angebote. Manchmal setze ich mich selbst hin und beginne alleine oder mit einem Kind eine Aktivität. Ich überlasse es den Kindern dazuzukommen und informiere sie höchstens über ein Angebot.
Beim Erzählen von Geschichten und Bilderbüchern achte ich auf das dialogische Erzählen, bei dem sich die Kinder frei einbringen können. Dadurch entsteht eine wunderbare Sprachförderung.
Das freie Spiel ist heilig – deswegen muss ich mich immer wieder daran erinnern Kinder nicht mit einem «Schau’ in die Kamera» von ihrem konzentrierten Spiel abzulenken. Ich muss mich immer wieder selbst an meine Beobachterrolle erinnern und es bleibt immer ein Abwägen, OB oder WANN ich bei Konflikten, beim Umziehen, Lösungen finden, Znüni, Spielen, Rollenspiel, Basteln… eingreifen sollte.
Beim Basteln, Werken und Gestalten bin ich beobachtend im Hintergrund, ich sorge für Grundordnung und Nachschub, versuche die Kinder in ihrem Flow nicht zu unterbrechen und nehme wahr, bei welchem Kind sich welche Entwicklungen zeigen. Ich bewerte dich Kunstwerke der Kinder nicht, auch nicht die Farbauswahl. Das Kind entscheidet, ob und wann sein Bild fertig ist, auch wenn nur ein Strich zu sehen ist.
Ich verzichte auf Belehrungen, z.B. Bitte-Danke sagen und übe mich darin, selbst Vorbild zu sein. Denn Kleinkinder lernen durch Nachahmen und (noch) nicht durch kognitive Belehrungen.
Ich korrigiere die Sprache der Kinder nicht, sondern baue in meiner Antwort die korrekte Formulierung ein. So vermeide ich beim Kind ein beschämendes Gefühl und praktiziere trotzdem die alltagsintegrierte Sprachförderung.
Umgang mit Konflikten
Konflikte beobachte ich besonders gut. Geht es allen gut dabei? Gibt es einen «Schwächeren», der Unterstützung benötigt, seine Grenzen zu kommunizieren? Besteht Verletzungsgefahr? Dann ist Eingreifen notwendig: «Ich sehe, ihr habt gerade eine heftige Diskussion. Braucht ihr meine Hilfe?»
Ich beschreibe zuerst neutral die Situation und benenne die Gefühle der Kinder. Im nächsten Schritt schaue ich, wo die Kinder Hilfe brauchen, um den Konflikt selbst zu lösen. Die Kinder bringen Lösungsvorschläge oder ich liefere ein paar Vorschläge. Mit mir im Hintergrund, können die Kinder den Konflikt selbstwirksam lösen.
Aus Konflikten im Spielgruppenalltag gibt es keine Verlierer oder Gewinner, keine abwertende Kritik, keine Strafen, keinen Entzug von Liebe und Zuwendung, keine Drohungen (z.B. «Wenn… dann…») und keine herbeigeführten Konsequenzen.
Ich reflektiere, welche Gefühle und unerfüllten Bedürfnisse hinter dem Verhalten des Kindes stehen könnten. Kleinkinder können in Stresssituationen noch nicht rational bleiben und reagieren immer emotional. Ich erreiche sie in diesen Momenten also NICHT auf der kognitiven Ebene. Da Kleinkinder häufig emotional überfordert sind, verhalten sie sich häufig wie sie sich verhalten, um auf sich aufmerksam zu machen: im Moment stimmt es nicht für mich.
Indem ich das Gefühl des Kindes wahrnehme und benenne, lernt es sein Gefühl kennen und auch den Namen dazu. Die emotionale Entwicklung reicht bis ins junge Erwachsenenalter und ist eine Kompetenz, deren Grundlage auf beschriebene Weise im Kleinkindalter erlernt werden muss.
(verfasst von Luise Völlm - Stand 11.03.2022)
Naturpädagogik &
Spielgruppenpädagogik im Wald
Was Kinder im Wald erleben und welche Kompetenzen sie erwerben
- sie lernen Outdoor-Fertigkeiten wie Feuer machen, Holz sägen, Pflanzen verarbeiten
- ihr Wortschatz rund um den Wald erweitert sich
- sie entwickeln Kreativität, denn es gibt viele Waldmaterialien, aber keine vorgefertigten Spielsachen
- Soziales Lernen «Das Kind lernt mit und von anderen Kindern», indem es das Verhalten anderer Kinder nachahmt. Sie suchen gemeinsam Lösungen und besprechen, wie sie Naturmaterialen verwenden wollen. Bei Herausforderungen unterstützen sie sich gegenseitig, was sie als Gruppe stärkt.
- Kinder spielen mit allen Sinnen und die Natur hält jede Menge natürliche Sinneserfahrungen bereit. Sie spüren Wetter, Pflanzen und Tiere auf der Haut, sie hören Naturgeräusche, sehen wie sich die Farben im Jahresverlauf verändern, riechen Erde, Rauch, Blüten.
- sie haben viel Bewegungsraum und die Natur bietet dazu ganz natürliche Anregungen. Klettern, Rollen, gleiten, rutschen, Springen. Sie entwickeln Geschicklichkeit, Koordination, Kraft, Gesundheit.
- Wagniskompetenz: Kinder können Abenteuer und Wagnisse eingehen. Sie lernen dadurch ihre Fähigkeiten kennen und einschätzen. Sie üben sich darin, mit Gefahren zurechtzukommen.
Meine Haltung zur Gestaltung der Waldspielgruppe
Ich baue eine vertrauensvolle Beziehung zum Kind auf, damit es sich wohlfühlen kann. Ich begleite die Kinder situativ, denn situativ ist im Spielgruppenalter altersgerecht. Ich ermögliche die Rahmenbedingungen (Betreuung, Waldplatz, Zustieg, Repertoire an jahreszeitlich angepassten Spielen, Experimenten, Liedern), damit die Kinder unvergessliche und prägende Walderfahrungen machen können. Ich bringe nur wenig waldfremdes Material mit. «Wir lassen das Drinnen drinnen und erleben das Draussen draussen.»
Meine pädagogische Haltung
Spielen = Lernen, aber ohne konkrete Lernerwartungen. Denn «ein Kind lernt beim Spielen. Es spielt jedoch nie, um zu lernen, sondern weil es Freude an seiner Tätigkeit empfindet.» Wenn Kinder aus ihrer intrinsischen Motivation heraus tätig sein können, stärkt es ihr Selbstbewusstsein, denn sie merken, dass sie selbst etwas bewirken können. Das löst Freude und Glücksgefühle aus und ihr Tun und Erleben verstärkt sich und motiviert sie zu weiteren selbstbestimmten Aktionen. Auf diese Weise spielen, entwickeln, lernen und bilden die Kinder sich selbst in den Bereichen, die für sie im MOMENT aktuell sind. «Das selbstbestimmte Spiel fördert die Kinder im genau richtigen Mass ohne sie zu überfordern.» Ich greife die Ideen, Fragen und Interessen der Kinder auf und biete dazu freiwillige Aktivitäten an. Ich «stelle das Kind also in den Mittelpunkt» und nehme mich mit meinen eigenen Ideen zurück.
(verfasst von Luise Völlm - Stand 03.04.2022)